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Pindactica im Gespräch mit Material-Mafia

Im März 2014 haben wir uns mit Katja von Helldorf und Simone Kellerhoff in der Material-Mafia Werkstatt in der Kugler Straße getroffen. Bei Kaffee und Keksen erzählten die beiden von ihren Projekten und zeigten uns allerlei spannende Dinge, die dabei entstanden sind.

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PINDACTICA: Katja, wie bist Du auf die Idee gekommen Material-Mafia zu gründen?

MATERIAL-MAFIA (Katja): Es gab zwei Impulse würde ich sagen. Ich habe Kunst studiert und bin als Künstlerin immer konfrontiert gewesen mit dem Bedarf und Verbrauch von Materialien und die Geldknappheit. Low-Budget Projekte sind einfach die Regel und deshalb ist man aus der Not gezwungen Lösungen zu finden. Dann kam der Hinweis von einer australischen Freundin, die sagte: Weißt du, dass es bei uns ein Projekt gibt, das heißt “Reversed Garbage? Die haben riesige Lagerräume und sammeln von den Industrien richtig organisiert die Reste, Abfälle und brauchbare Sachen und verkaufen das weiter an Künstler. Und ich dachte mir: Nein, wie geil ist das?

Der Maßstab [von Reversed Garbage] hat mir die Vision gegeben. Dass man nicht nur ein bisschen flohmarktmäßig kleine angesammelte Sachen aus Haushalt und Keller hat, sondern so richtig einen neuen Wertstoffkreislauf schafft. Direkt bei den Unternehmen, die Müll produzieren, wie in einer Art Kanal in die Kulturindustrie umzuleiten. Das ergibt dann einen kontinuierlichen Fluss von bestimmten Materialien.

PINDACTICA: Wie seid Ihr zusammen gekommen?

MATERIAL-MAFIA (Simone): Auch mein Leben bestand daraus aus alten Sachen Neues zu machen – Ressourcen zu nutzen. Mein erster Beruf war Ergotherapeutin und ich habe lange im Wagen gewohnt und da gab es für mich den Begriff Upcycling gar nicht. Und den finde ich auch nach wie vor kritisch. Wann ist etwas Kunst, wann Handwerk? Das wird in Deutschland so rigoros getrennt manchmal. Anschließend habe ich etwas ganz anderes gemacht und habe Fundraising studiert und in einer Beratungsstelle für Frauen gearbeitet. Dort habe ich Katja auf einer persönlichen Ebene kennen gelernt und das ist auch die Ebene, die mich zur Material-Mafia gebracht hat. Gemeinsame Visionen, aber auch, wie wir arbeiten und wie wir mit ökonomischen Fragen umgehen.

PINDACTICA: Ihr bewahrt also Dinge auf, die für jemanden nicht mehr zu gebrauchen waren und stellt sie für jemandem bereit, der damit was anfangen kann. So wird aus Müll wieder ein Wertstoff. Ihr nehmt für die Lagerung und Vermittlung aber nur ein kleine Aufwandsentschädigung. Kann sich das Projekt darüber selbst tragen?

MATERIAL-MAFIA: Das Projekt trägt sich durch 3 Säulen: die Vermittlung von Materialien, Bildungsangebote und Workshops zum Thema Upcycling/Re-Use/Umwelterziehung und den Verkauf von Upcycling Produkten.

PINDATICA: Wie ist das mit den Workshops, kann da jeder zu euch kommen? Wie funktioniert das?

MATERIAL-MAFIA: Ja, im Grunde sind die adaptierbar. Es muss allerdings terminlich gebucht werden. Aber es gibt einmal im Monat im Sommer die “Re-Used-Tage” im Prinzessinnengarten. Die sind so organisiert, dass verschiedene Leute ihr Wissen und ihr Können teilen zum Thema Upcycling. Wir sind die Organisatorinnen, aber man kann den ganzen Tag als BesucherInnen dort vorbei kommen ohne etwas zu bezahlen.

Wir arbeiten auch mit Schulen zusammen und das sind oft größere Klassen. Wir werden dann sozusagen bestellt.

PINDACTICA: Ihr geht in die Schulen?

MATERIAL-MAFIA: Wir gehen in die Schulen und machen mit den Kindern dort die Workshops. Es gibt gerade ein Pilotprojekt was ich persönlich sehr spannend finde: einen Schulhof gestalten. Wir arbeiten zusammen mit dem sozialpädagogischen Institut, um hässliche triste Schulhöfe, wie ich finde, wo nur Beton ist, schöner zu machen. Wir bekommen eine Ecke im Schulhof und dort werden zwei Bauwagen hingestellt und mit den Jugendlichen in einer AG gestaltet. Gärtnern und bauen in einem.

PINACTICA: Und Eure Workshops können auch in Klassenräumen stattfinden?

MATERIAL-MAFIA: Die eben beschriebene Arbeit ist natürlich groß angelegt, aber wir arbeiten auch mit Papier, Puppen, kleinen Büchern und basteln Portemonnaies. Das macht nicht soviel Dreck und dabei braucht man auch nicht so viel Werkzeug. Eine weitere Form von Workshops die wir noch nicht erwähnt haben, finden auf Festivals und Strassenfesten statt.

PINDACTICA: Ihr habt dort dann einen Stand und man kann dort hinkommen und basteln?

MATERIAL-MAFIA: Genau. Bei unseren Produkten gibt es auch kein Copyright oder Designerrecht. Die Idee ist die Leute dazu zu ermutigen etwas selber zu machen. Es geht um die Erfahrung. Natürlich kann auch jemand sagen, ich habe dafür keine Zeit, mach mir eins und ich bezahl dir dafür. Das geht auch, aber im Grunde geben wir das Wissen weiter und sagen: Wenn du eins zu Hause willst, weißt du jetzt wie du es selber machen kannst. Dass wir das einfach teilen und sie nichts dafür zahlen müssen, das ist für viele kurios.

PINDACTICA: Kann denn jeder der möchte und von Material-Mafia erfährt zu Euch Kontakt aufnehmen und seinen Müll herbringen? Oder umgekehrt, wenn er etwas braucht herkommen und sich etwas abholen?

MATERIAL-MAFIA: Ja – aber! Also Material abholen kann wirklich jeder, aber es gibt tatsächlich ein Aber. Wir hatten hier zum Beispiel eine Frau die wollte alte Türklinken kaufen, so richtig aus Porzellan. Nachdem ich ihr den Dumping-Preis genannt hatte, sagte sie: „Sie wissen schon, dass ich das weiterverkaufe? Ist das ein Problem?“ Damit haben wir schon ein Problem. Das ist nicht unsere Philosophie. Wir sind keine Trödler und wir machen keinen Profit. Es geht wirklich auch darum die Idee zu schützen, Müll zu vermeiden und Konsumverhalten zu verändern. Wenn das dann in einen Profit steigernden Kreislauf zurück gelangt, dann ist das Quatsch.

Um auf Deine Frage zurückzukommen, wer uns etwas bringen kann: Im Prinzip jeder, aber wir wollen wirklich Reststoffe keine Möbel oder Geräte.

PINDACTICA: Aber eigentlich funktioniert Ihr über Eure Kooperationspartner, die Euch regelmäßig Dinge bringen?

MATERIAL-MAFIA: Genau.

PINDACTICA: Wer ist das zum Beispiel?

MATERIAL-MAFIA: Eine Matratzenherstellungsfirma, Museen, Galerien, Messebau, Ausstellungsauf- und abbaufirmen, Druckereien.

PINDACTICA: Und das ist dann Holz? Oder bei der Druckerei Papierreste? Welche Materialien sind das denn?

MATERIAL-MAFIA: Es sind nicht nur Materialen, die dort produziert werden. Bei den Druckereien sind es beispielsweise die Off-Set-Gummimatten auf denen gedruckt wird.

PINDACTICA: Was kann man denn aus so einer Matte machen?

MATERIAL-MAFIA: Man kann sie zu Stempeln verarbeiten und wir nutzen sie zum Beispiel als Plakate für draußen, denn das Material ist wetterbeständig. Aber ganz grundsätzlich ist schon Holz ein Stoff der häufig angefordert wird. Ach ja und Fahrradschläuche.

PINDACTICA: Aus Fahrradläden?

MATERIAL-MAFIA: Richtig. Weder die Leute noch die Werkstätten flicken heutzutage noch. Das kostet zuviel Zeit. Also kommen überall immer neue Schläuche rein. Wir sind aber kein Geschäft wo man alles anschauen kann. Man kann aber mit uns sprechen und sagen was man braucht. Wir übernehmen auch Suchaufträge, aber da brauchen wir schon ein wenig Zeit. Wir haben also eine Dienstleistung des 21. Jahrhunderts erfunden, das ist die Materialvermittlung!

PINDACTICA: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Materiallager im Prinzessinnengarten hat jeden Samstag von 12 Uhr bis 14Uhr geöffnet.

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